Geodätische Kuppeln wirken immer irgendwie futuristisch und werden schnell den Vorstellungen von einem Leben auf einem anderen Planeten zugeordnet. Dabei gibt es etliche geodätische Bauwerke auf Mutter Erde, darunter Projekte, in denen ganze Siedlungen nach diesem Konstruktionsprinzip errichtet wurden. Bekannt wurde diese Bauweise allerdings durch die militärischen Radar-Dome und Science-Fiction-Filme.
Wer hat die geodätische Kuppel erfunden?
Die geodätische Kuppel wurde von dem Architekten, Theoretiker und Erfinder Richard Buckminster Fuller entwickelt, der diese Bauweise erstmals 1948 am Black Mountain College in Asheville, North Carolina realisierte. Die Umsetzung der Konstruktion erfolgte im Rahmen eines Projektstudiums, an dem Studenten und der erste Kunstlehrer des Instituts, der Maler Josef Albers teilnahmen. Albers, ein deutscher Jude, war 1933 mit seiner Frau vom Bauhaus in die USA geflohen, wo er, wie Fuller, bis 1949 unterrichtete. In dieser Zeit gehörte auch der weltberühmte Nobelpreisträger Albert Einstein als Gastdozent zum Lehrerkollegium des Black Mountain College.
Was ist so besonders am geodätischen Dome?
Die Konstruktion wird nach seinem Erfinder auch Bucky-Dome oder Fuller-Dome genannt. Die Form ist der Natur nachempfunden. Die geodätische Kuppel basiert auf Dreiecken, Fünfecken und Sechsecken. Durch diese eigenwillige Konstruktionsweise wird das Gesamtkonstrukt extrem stabil. Zugleich ist das Gewicht sehr gering, weil deutlich weniger Baumaterial benötigt wird, im Vergleich zu einem Standardbau mit gleichem Volumen. Bemerkenswert ist, dass das fertige Konstrukt um ein Vielfaches stärker ist, als seine einzelnen Teile.
Gibt es besondere geodätische Bauwerke?
Inzwischen gibt es eine Reihe großer, wichtiger und berühmter Bauwerke, die nach dem Prinzip der geodätischen Kuppel errichtet wurden. Die 11 bekanntesten davon sind:
- In Chile, in Patagonien wurde 2001 das erste geodätische Hotel der Welt gebaut.
- Amundsen-Scott South Pole Station Dome.
- Aviodome, ein 1969 gebautes Museum in Haarlemmermeer, Niederlande – inzwischen abgerissen.
- Biosphere wurde als Pavillon der USA zur EXPO 1967 in Montréal, Quebec, Kanada gebaut.
- Caspary Auditorium ist ein 1957 fertiggestelltes Hörsaalgebäude der Rockefeller University in New York.
- Chung Shin Sportzentrum ist eine 1986 eröffnete Sporthalle in Gueishan, Taiwan.
- Climatron wurde 1959 als Gewächshaus und botanischer Garten in Saint Louis, Missouri, USA errichtet.
- El Helicoide wurde 1956 als Einkaufszentrum und Veranstaltungshalle in Caracas, Venezuela gebaut, wird aber als Verwaltungsgebäude von der Regierung genutzt.
- Eurosat steht seit 1989 im Schwarzwald in Rust im Europa-Park, wo in der geodätischen Kuppel eine Achterbahn installiert ist.
- Gewächshaus des Botanischen Instituts der Universität Düsseldorf in Nordrhein-Westfalen ist seit 1975 ein geodätischer Dome.
- Gold Dome wurde 1958 als Bankgebäude in Oklahoma City, Oklahoma, USA gebaut und wurde inzwischen als historische Sehenswürdigkeit unter Denkmalschutz gestellt.
Kuppelbauwerke in der Geschichte
Kuppeln sind ein wesentlicher Bestandteil der menschlichen Geschichte. Seit der späten Steinzeit, also vor 50.000 bis 39.000 Jahren, diente das kuppelförmige Grabmal dazu, den göttlichen Schutz nachzuahmen. So waren die Menschen in der Lage, ein dauerhaftes Heim für ihre Toten zu schaffen und von ihnen Abschied zu nehmen. Besonders markante Kuppelbauten sind die Stupas in Indien oder das Tholos-Grab in Griechenland. Kuppeln wurden im persischen Reich und im römischen Imperium dem Himmel gleichgesetzt. In dieser Epoche war der Kreis das Synonym für die Vollkommenheit und die Ewigkeit. Die Kuppelbauweise wurde bereits zu Beginn der Geschichte des Christentums und des Islams aufgegriffen und architektonisch umgesetzt. Beispiele dafür sind:
- Scheich-Zayid-Moschee in Abu Dhabi – 115 m hoch, Kuppeldurchmesser 32,2 m, Platz für 40.000 Gläubige
- Çamlıca Mosque in Istanbul, Höhe der Kuppel 72 m, Durchmesser 34 m, Platz für 63.000 Gläubige
- Badshahi-Moschee in Lahore, Pakistan, errichtet 1674 mit 3 riesigen Kuppeln und Platz für 100.000 Menschen
- Petersdom im Vatikan, 137 m hoch, Kuppel 58,9 m Durchmesser, Platz für 20.000 Gläubige
- Markusdom in Venedig mit 5 Kuppeln, jede 45 m hoch, 3 Millionen Besucher jährlich
- St Paul’s Cathedral in London mit großer Krypta und einer Kuppel mit 34 m Durchmesser
- Taj Mahal in Indien, errichtet als Grabmal 1648 mit einer Kuppel von 28 m Durchmesser
Was ist so außergewöhnlich an einer geodätischen Kuppel?
Durch die Konstruktion in Form einer Halbkugel besitzt ein geodätisches Konstrukt einzigartige Eigenschaften. Was Sie über geodätische Kuppeln wissen sollten:
- Alle Energien im Raum werden in Richtung Zentrum reflektiert und durch Überlagerung verstärkt.
- Da der Dom von unten konkav ist, reflektiert er Geräusche und kann in einer leeren Kuppel fantastische Echos erzeugen.
- Im 15. Jahrhundert wurden die Gesänge des Klerus in den byzantinischen Kirchen durch die Kuppeln projiziert.
Heutzutage nutzen einige der besten Konzertsäle der Welt die Kuppelform, zum Beispiel die Royal Albert Hall in London. - Durch die Kugelform können Luft und Energie ungehindert zirkulieren, was die Energiekosten sehr niedrig hält.
Geodätische Kuppeln sind so aerodynamisch, dass sie selbst starken Wirbelstürmen problemlos standhalten können, was in einer Studie nachgewiesen wurde. - Diese Konstrukte sind obendrein derart stabil, dass sie auch schwere Erdbeben überstehen, bei denen Gebäude mit gleichem Volumen und erheblich höherem Materialaufwand einstürzen.
- Die Verteilung des Gewichts auf die Form ist die effizienteste, die mathematisch und architektonisch möglich ist. Die Belastung wird gleichmäßig über die gesamte Struktur verteilt.
- Diese Kuppeln bieten einen großen Wohnbereich der kleinsten möglichen Fläche, so dass Sie bei gleichem Wohnraum weniger Platz auf dem Grundstück einnehmen.
- Je größer die Kuppel ist, desto effizienter ist sie auch. Wird der Durchmesser verdoppelt, wird das achtfache Volumen eingeschlossen.
- Durch das hohe Volumen-Oberflächen-Verhältnis benötigen geodätische Kuppeln 30 % weniger Fläche als herkömmliche Gebäude.
- In der Folge wird zum Heizen oder Kühlen mindestens 30 % weniger Energie benötigt.
- Die Kuppelform erzeugt im Inneren des Raums einen kontinuierlichen Luftstrom, da es keine Ecken gibt, in denen sich die Luft aufstauen kann. Durch diese Luftzirkulation ist es energieschonender, eine gleichmäßig Temperatur zu erzeugen und das Wohnklima ist signifikant angenehmer.
- Durch die Kuppelform werden nur wenige Fenster benötigt, um tagsüber alle Räume mit Sonnenlicht zu durchfluten. Werden große Fenster clever platziert, wird tagsüber kein künstliches Licht benötigt.
- Bei messbar höherer Stabilität wird erheblich weniger Baumaterial benötigt.
- Außerdem lassen sich diese Häuser schnell aufbauen – viel schneller als herkömmliche Gebäude – und in der Regel sind nur ein paar Leute nötig, um sie zu installieren.
- Inzwischen gibt es Bausätze für geodätische Kuppeln, die sich bei der Größe eines Einfamilienhauses innerhalb von drei Arbeitstagen zusammenbauen lassen.
- Eine geodätische Kuppel benötigt keine inneren Stützen oder tragenden Wände: Die geodätische Struktur trägt sich selbst.
- Diese Kuppeln lassen sich aus Alu-Rohren oder Holz konstruieren und besitzen nach der Fertigstellung eine höhere statische Stabilität als gleichgroße Standardbauten aus Stahlbeton.
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