Die Bereiche Malerei und Architektur sind in der aktuellen Rezeption zwei Kategorien von künstlerischen Darstellungen, die eher selten miteinander in eine Verbindung gebracht werden. Dennoch können diese zwei klassischen Gattungen bildender Künste unter gewissen Umständen und Voraussetzungen als eine Art Symbiose betrachtet und gedeutet werden, die zwei anfänglich vollkommen unterschiedlich erscheinende Kunstarten gelungen miteinander verbindet.
Architekturdarstellungen in der Malerei: Eine Kunstform
Farben, Flächen und Linien bilden gemeinsam die gestalterischen Mittel der Malerei, unter der das Anbringen und Auftragen von Farben durch Pinsel, Spachtel und sonstigen Hilfsmitteln auf einen oder mehrere Farbträger verstanden wird. Eine dargestellte Zeichnung beschreibt dabei ein gewisses Motiv in einer vereinfachten Weise anhand von Linien und Strichen.
Architektur als Kunstgattung
Unter dem Begriff der Architektur wird eine handwerkliche sowie ästhetische Auseinandersetzung mit einem gebauten Raum verstanden. Deren zentrale Inhalte sind der Entwurf, die Gestaltung und die Konstruktion von Bauwerken. Im weitgreifenden Sinn wird die Architektur als das Bauen jeglicher Art interpretiert. Dabei ist einer der signifikantesten Hauptgründe der oftmaligen Darstellung von Architektur in der Malerei und anderen Arten bildender Künste sicherlich deren Omnipräsenz im öffentlichen Raum. Architektur begleitet alle Menschen in deren alltäglichem Leben, ständig und in nahezu jeder Situation wird der Mensch mit architektonischen Einflüssen, Strukturen und Gegebenheiten konfrontiert.
Das komplexe Wesen und die unterschiedliche Ausprägung von Architektur prägen also bewusst oder in den meisten Fällen ganz unbewusst den Alltag und das Dasein menschlicher Existenz. So ist es nicht überraschend, dass sich die vielfältigen Darstellungen architektonischer Bauwerke auch in Malerei und Grafik unterschiedlich und breitgefächert wiederspiegeln.
Malerei & Architektur: Symbiose von Stabilität, Nutzen und Schönheit
Auf den ersten Blick werden die beiden Kunstgattungen Architektur und Malerei durch eine scheinbar unüberbrückbare Differenz unterschieden – die Architektur behandelt dreidimensionale Werke, während Malerei und Zeichnung Werke in Flächenform zum Inhalt haben. Die Malerei kann jedoch trotz ihres Wesensmerkmals der Fläche als die freieste und unverbundenste Form bildender Kunst angesehen werden, da sie durch ihre illusorischen Fähigkeiten sowohl die Darstellung existenter Wirklichkeiten als auch die bildliche Verkörperung rein gedanklicher Vorstellungen erlaubt.
Der nur äußerst selten gewagte Blick über die engen Disziplingrenzen von Malerei und Architektur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es an der Schnittstelle beider Gattungen mehrere Berührungspunkte gibt, die eine gemeinsame Betrachtungsweise beziehungsweise symbiotische Zusammenführung erlauben. Viele Künstler haben die Anmut und Schönheit von einzelnen Bauwerken bereits über Jahrhunderte hinweg in Form von Malerei, Grafik und Zeichnungen verewigt. Dabei spannt sich der zeitliche Bogen dieser Darstellungsformen von der Ära der Spätgotik über die Zeit der Renaissance, die Epoche des Barock, des Klassizismus und des Jugendstil-Zeitalters bis hin zur zeitgenössischen Architektur.
So eigenständig und unterschiedlich Malerei und Architektur als abzugrenzende Kunstgattungen vielleicht sein mögen, so sehr finden sich dennoch einzelne Schnittstellen und Berührungspunkte zwischen diesen beiden künstlerischen Ausdrucksformen.
Architekturdarstellungen in der Malerei: Wesen, Formen und Bedeutung
Der wesentliche Gegenstand von Architekturmalerei als künstlerische Daseinsform ist die vereinfachte bis komplexe Darstellung architektonischer Bauweisen. Dies kann einzelne Bauteile, Bestandteile der Innen- oder Außenarchitektur oder auch architektonische Gesamtanlagen betreffen. Dabei können die Objekte der dargestellten Architektur sowohl als singuläres Hauptmotiv als auch eingebettetes Objekt innerhalb ihrer Umgebung auf der Leinwand wiedergegeben werden. Als spezielles Architekturbild wird ein im Mittelpunkt stehendes Architekturmotiv bezeichnet, das im Zusammenspiel mit Beleuchtung und dargestellter Umgebung eine ausdrucksstarke und künstlerische betonte Bildwirkung hervorruft.
Die so in Szene gesetzte Architektur kann verschiedene Bildsprachen entfalten und unterschiedliche Funktionen im Gesamtkontext des Bildes unterstützen – zum Beispiel als ein Hintergrund oder Umrahmung einer dargestellten Szene oder um dem Gemälde eine Tiefe zu verleihen und die erwünschte Perspektive zu betonen.
Architekturmalerei: Prägende Vertreter und herausragende Persönlichkeiten
Das Bruderpaar van Eyck begann im Jahre 1426 seine dargestellten imaginären Figuren in realen architektonischen Bauten abzubilden. Ihre profunden und tiefgreifenden Kenntnisse von Linearperspektive und den Gesetzmäßigkeiten der Architektur erlaubten ihnen neuartige Wege zu beschreiten und ließen ihnen einen bahnbrechenden Einfluss auf die weitere Entwicklung der Architekturmalerei zuteil werden. Jedoch dauerte es noch bis etwa zum Jahr 1580, bevor sich die Architektur als ein eigenständiges Thema in der Malerei etablieren konnte.
Angeführt vom niederländischen Renaissancemaler Hans Vredeman de Vries mit seinen vielfältigen Darstellungen von Häusern, Brunnen, Plätzen, Arkaden und Kolonnaden konnte sich das dargestellte Architekturbild als eigenständige Gattung im Bereich malerischer Kunst positionieren. Im Zuge dieser Entwicklung waren vor allem bei niederländischen Vertretern Motive von heiligen und religiösen Stätten ein bevorzugtes Thema. Innenansichten von prunkvollen Sälen oder majestätischen Kirchenbauten bildeten damals einen Großteil des Fundus, aus dem die Maler schöpften und von dem sie sich für ihre Arbeit inspirieren ließen.
Gerade in der damaligen Zeit waren religiöse Bauten ein fester und wesentlicher Bestandteil der Gesellschaft und kulturellen Identität. Daher lag es nahe, dass diese Architektur vermehrt als Motiv im Bereich von Kunst und Malerei dienen sollte. Das damit einhergehende zunehmende Interesse förderte zudem das Bestreben der Künstler, die verwendeten Motive immer realistischer und detailgetreuer wiederzugeben.
Weitere historische Persönlichkeiten
Durch bestimmende Protagonisten wie de Witte und van de Neer aus den Niederlanden oder den italienischen Familien Guardi und Canale fand das eigenständige Architekturbild im Laufe des 17. und 18. Jahrhunderts seinen etablierten Platz in der Kunstmalerei. Durch die vermehrt einsetzende Ausschreibung architektonischer Konkurrenzwettbewerbe entwickelte sich die Architekturmalerei zu einem Bedürfnis der gesellschaftlichen Allgemeinheit.
Dabei diente die Darstellung der Architektur vorrangig der ästhetischen Überprüfung von Ideen, Skizzen und Entwürfen. Ein maßgeblicher Vertreter dieser Entwicklung war der Architekt Francesco Borromini aus Italien. Weitere, später wirkende, impulsgebende Personen waren Gian Lorenzo Bernini, Gottfried Semper oder auch Clemens Holzmeister, für deren Wirken stellvertretend die Entwürfe für Kathedralen in Brasilien oder des Wiener Hofburgtheaters genannt sein.
Das verwendete Prinzip der Darstellung von Architektur basiert auf einer Reduktion realer Architektur auf zweidimensional abbildbare Aspekte. Durch diese vollzogene Reduktion erhält der Betrachter einen künstlichen Blick auf das behandelte architektonische Gebilde, der in der realen Wahrnehmung in dieser Klarheit unmöglich vernehmbar ist. Die Einführung und Akzeptanz von Perspektive im künstlerischen Bereich eröffneten so neuartige Möglichkeiten von räumlicher Darstellung. Herausragende Vertreter dieser Kunstgattung wie zum Beispiel Peter Neefs beherrschen diese Linien- und Luftperspektive in meisterhafter Art und Weise.
Durch ungewöhnliche Lichteinfälle oder neuartige Perspektiven können sich althergebrachte Motive dem Beobachter in gänzlich anderer Darstellung neu erschließen. Dabei werden für die architektonischen Entwürfe überwiegend Werkzeuge wie Tusche, Bleistift, Sepia und Kohle eingesetzt. Einzelne Vertreter wie etwa der Schwede Axel Haig nutzen auch Radierungen für ihre Werke. Eine weitere Stilrichtung ist die stimmungsbetonte Architekturmalerei mit Öl, die starke Komponenten unterschiedlicher Beleuchtung enthält und bei der das architektonische Element zugunsten einer farbigen Wirkung etwas in den Hintergrund rückt.