Die Energiewirtschaft wandelt sich und der aktuelle Trend ist ihre Dezentralisierung. Die Verschiebung der Stromerzeugung von großen Kraftwerken zu kleineren Energiequellen, wie Photovoltaikanlagen, Windkraftwerken, Biogasanlagen, Kraftwärmekoppelanlagen und weiteren, hat höhere Ansprüche an den Betrieb der Verteil- und Übertragungsnetze zur Folge.
Die Verfügbarkeit und Zuverlässigkeit der Netze ist eine offensichtliche Forderung. Für einen stabilen Betrieb des Verteil- und Übertragungsnetzes werden verschiedene Mechanismen eingesetzt. Zu nennen wären zum Beispiel frequenzgebundene und nicht-frequenzgebundene Systemdienstleistungen für das Leistungsgleichgewicht. In diesem Artikel schauen wir uns näher an, welche Möglichkeiten die Flexibilität z.B. eines Smart Home bringt.
Energieflexibilität allgemein ist das Potenzial, mit dem letztendlich erheblich zur Stabilisierung der Energiesysteme beigetragen werden kann. Noch vor kurzem wurden Dienstleistungen für das Leistungsgleichgewicht vor allem von großen Kraftwerksblöcken erbracht. Mit der steigenden Zahl kleinerer dezentraler Energiequellen, insbesondere von Photovoltaikanlagen, die häufig mit einer Speicherung der erzeugten elektrischen Energie in Batterien ausgestattet sind, entsteht natürlich dieses Potenzial auch hier. Durch Aggregation der Flexibilität werden kleine flexible Energiequellen zu größeren Komplexen zusammengefasst, die dann eine effektive Nutzung der Flexibilität zur Stabilisierung der Energiesysteme ermöglichen. Als Einheit für die Aggregation der Flexibilität bieten sich außer den bereits überlegten Batteriespeichern oder Elektroautos auch Smart Homes an.
Das Potenzial der Batteriespeicher und Elektroautos, auch wenn sie nicht im Smart Home integriert sein sollten, ist für die Energieflexibilität offensichtlich. Zunächst wenden wir uns deshalb HVAC-Klimaanlagen, Warmwasserzubereitung, Schwimmbecken und den weiteren Verbrauchern im Kontext der Ermittlung des Stromverbrauchs, seiner Steuerbarkeit und seines Beitrags zur gesamten Energieflexibilität des Hauses zu.
HVAC-System und Warmwasserzubereitung
Die Problematik Heizung, Warmwasserzubereitung mit Umwälzung, Kühlung und Fremdbelüftung ist aus der Perspektive der Flexibilität kein trivialer Bereich. Das Spektrum der Systeme und Energiequellen für Heizung, Kühlung und Fremdbelüftung ist breit. In der konkreten Ausführung kann es sich um eine oder mehrere Anlagen handeln, jede auch mit mehreren Wärme- oder Kältequellen mit eigenem Steuerniveau und mit Regelung von Temperatur und Luftqualität in den einzelnen Wohnräumen.
In einem normalen Haus ist es üblich, Heizung, Kühlung und Fremdbelüftung voneinander unabhängig und mit gesonderten Steueranlagen zu haben und die Temperaturen werden nicht nach Zonen geregelt. Die Steuerung geht meist von einem Zeitplan aus. Durch Ergänzung mit einer übergeordneten Smart-Home-Steuerung kann ein effektiverer Betrieb erzielt werden und die Anlagen können nun außer auf den voreingestellten Zeitplan auch auf die Betriebsarten des Hauses, die Anwesenheit seiner Benutzer, das aktuelle Wetter, die Sonneneinstrahlung und deren Vorhersagen reagieren. Zudem kann der Synergieeffekt der Schattierungstechnik in Kombination mit Heizung und Kühlung genutzt werden.
Die Flexibilität von Heizung, Kühlung und Warmwasserzubereitung wird beeinflusst vom Umfang des installierten Speicherbehälters für Heizung, Kühlung und Warmwasserzubereitung, von der Wärmeträgheit und -stabilität des Gebäudes sowie den Anforderungen an die Temperaturen in den Räumen, für die vom Benutzer einstellbare Toleranzen erwägt werden können. Die eigentliche Lieferung von Wärme oder Kälte in die einzelnen Räumen kann flexibel gesenkt oder erhöht werden. Die Wärme- oder Kältequelle kann in Kombination mit der Speicherung einen flexiblen Verbrauch bieten. Die flexible Energie ist außer von der Anlagentechnik auch von den Wärmeeigenschaften des Hauses abhängig. Deren detaillierte Beschreibung geht über den Rahmen dieses Artikel hinaus (Gebäudemodell, maschinelles Lernen, MPC und weitere Gebiete).
Wärmespeicherung
Bei der an die Wärmezufuhr gebundenen Flexibilität ist auch der Einfluss des sog. Rebound-Effekts zu berücksichtigen, wobei eine Verringerung der Wärmezufuhr in einem bestimmten Zeitraum eine Kompensation in Form eines erhöhten Verbrauchs zu einem späteren Zeitpunkt zur Folge hat und umgekehrt. Einfacher ist es, sich vorranging auf die Flexibilität des Speicherbehälters für Wärme (oder Kälte) zu beschränken, wobei eine Temperaturveränderung von 1 m3 Wasser um 1°C etwa 1,2 kWh Wärmeenergie entspricht. Bei Einsatz einer Wärmepumpe mit einem Wirkungsgrad COP = 3 verringert sich der Umfang des flexiblen Verbrauchs auf 0,4 kWh/m3.K. Das Potenzial des an die Warmwasseraufbereitung gebundenen flexiblen Verbrauchs kann einzelne kWh bis wenige Dutzend kWh erreichen.
Batteriespeicher
Batteriespeicher, heute in hohem Maß gemeinsam mit Photovoltaikanlagen installiert, sind wichtige Flexibilitätsquellen und primär dafür bestimmt. Bei Anforderung an einen höheren Verbrauch können sie geladen werden und umgekehrt. Teil eines Batteriespeichers kann ein eigenes Energy Management System (EMS) sein, das in Kombination mit der PVA das Laden und Entladen der Batterien steuert.
Durch Integration in ein Smart Home können die weiteren Vorteile einer übergeordneten Steuerung genutzt werden, wobei die Nutzungsstrategie des Batteriespeichers je nach der Betriebsart des Hauses geändert werden kann. Ein Beispiel kann die verschiedene Nutzung des Batteriespeichers während des Urlaubs, je nach der zu erwartenden Abwesenheit, vor und bei einem geplanten Ausfall der Stromlieferungen aus dem Verteilnetz oder auch entsprechend der Wettervorhersage sein. Das Smart Home kann auch auf einen Netzausfall oder auf den Ladezustand des Batteriespeichers mit dem Sparbetrieb der Anlagen und Verbraucher reagieren.
Der Batteriespeicher gleicht zu einem gewissen Grad Disproportionen von Stromerzeugung und -verbrauch in der Zeit aus. Seine Kapazität muss nicht immer in vollem Umfang genutzt werden. Eine geeignete Steuerstrategie des Ladezustands des Batteriespeichers kann dem Flexibilitätsumfang auf der Verbrauchsseite angepasst werden oder die Lieferungen können verschiedenen Bedürfnissen entsprechenden gestaltet werden. Bei einer nutzbaren Kapazität des Speichers von 10 kWh können je nach dem Ladezustand bis zu 10 kWh flexibler Energie für Stromlieferung und -verbrauch zur Verfügung stehen.
Elektroauto
Neben dem Batteriespeicher hat das Elektroauto ein bedeutendes Flexibilitätspotenzial. Je nach seiner bidirektionalen Ladefähigkeit (V2H, V2G) steht ein flexibler Verbrauch oder auch die Möglichkeit einer flexiblen Stromlieferung zur Verfügung, deren Umfang geringer ist aufgrund des Bedarfs, das Elektroauto regelmäßig zu laden. Bei Batteriekapazitäten in der Größenordnung von mehreren Dutzend kWh handelt es sich um eine bedeutenden Menge an Energieflexibilität. Ihre Verfügbarkeit auf der Zeitachse hängt vom aktuellen Anschluss des Elektroautos an eine Ladestation ab.
Das Laden des Elektroautos wird gewöhnlich nach dem Anschließen an eine Ladestation begonnen und die Leistungsregelung berücksichtigt den nachfolgenden Verbrauch, damit die reservierte Leistungsaufnahme nicht überschritten wird. Typischerweise kann ein Elektroauto innerhalb einer kürzeren Zeit aufgeladen werden, als das Elektroauto an die Ladestation angeschlossen ist. Es entsteht ein flexibler Verbrauch, der zeitlich verteilt werden kann und beschränkt ist durch die Spezifika von Laden und Betrieb des Elektroautos (Zugang der Benutzer zur Planung, Forderung nach Beenden des Ladens, minimaler Ladezustand, Parameter der Wandladestation). Durch Integration in ein Smart-Home-System erhöht sich der Gesamtumfang der flexiblen Energie und die Möglichkeit ihrer Nutzung im Kontext der weiteren Anlagen und Geräte im Haus.
Schwimmbecken
Ein Schwimmbecken ist in der Regel mit einer Anlage zur Wasseraufbereitung ausgestattet und kann mit einer Beheizung des Beckenwassers vervollständigt sein. Die Schwimmbeckentechnik ist täglich etwa 4-8 Stunden in Betrieb, normalerweise nach einem festen vom Benutzer eingestellten Zeitplan. Durch Integration in das Smart-Home-System kann auf einen variablen Betrieb übergegangen werden, der die verschiedenen Betriebsarten des Hauses, die Wassertemperatur oder die Anwesenheit von Personen bei gleichzeitiger Erfüllung der Forderung nach einer minimalen Betriebsdauer berücksichtigen kann. Die Beheizung des Wassers wird im Prinzip nach der Differenz zwischen eingestellter und aktueller Temperatur des Schwimmbeckens sowie mit einer Schalthysterese gesteuert. Durch Integration in das Smart Home können verschiedene Steuerweisen erreicht werden, zum Beispiel kann bei einer Senkung der Komfortanforderungen der Umfang der flexiblen Energie erhöht werden.
Der Stromverbrauch der Beckentechnik ist am betreffenden Tag fest vorgegeben und flexibel ist seine Verteilung auf die Tageszeiten. Bei der erwähnten Betriebsdauer und je nach der Pumpenleistung kann es sich um eine Energiemenge von ca. 2,5‒6 kWh flexiblen Verbrauch pro Tag handeln. Außerdem hat ein beheiztes Schwimmbecken ein bedeutendes Potenzial an flexiblem Verbrauch. Zum Erwärmen von 36 m3 (6x4x1,5 m) Wasser um 1°C sind 42,6 kWh Wärmeenergie erforderlich, was beim Einsatz einer Wärmepumpe mit einem Wirkungsgrad COP = 5 dann 8,5 kWh elektrischer Energie flexiblen Verbrauchs entspricht. Die Aufrechterhaltung der Wassertemperatur des Schwimmbeckens in einem bestimmten Temperaturbereich kann das Flexibilitätspotenzial noch steigern.
Elektrische Verbraucher
Immer häufiger fallen Heimverbraucher in die Kategorie IdD (Internet der Dinge) und können in ein Smart Home integriert werden. Für einen flexiblen Betrieb sollte der Verbraucher grundlegende Angaben über das eingestellte Programm liefern, wie etwa geschätzter Energieverbrauch, gewünschter äußerster Zeitpunkt des Programmendes und Anzeige des Zustands, dass das Programm startbereit ist. Das Smart Home startet dann das Programm des Verbrauchers zum optimalen Zeitpunkt und unter Einhaltung der vom Benutzer eingestellten Parameter.
Ein Betrieb der Verbraucher auf die hier beschriebene Weise kann zu einem gewissen Maß bei Waschmaschine, Wäschetrockner und Geschirrspüler erwartet werden. Es entsteht eine Ad-hoc-Flexibilität mit einem beschränkten Energieumfang, die an einen bestimmtes Zeitintervall je nach den Präferenzen des Benutzers gebunden ist. Moderne Verbraucher der Kategorie A zeichnen sich durch geringe Energieansprüche aus (Waschmaschinen oder Geschirrspüler 0,5 kWh/Zyklus, Wäschetrockner 1 kWh/Zyklus) und der Umfang ihres flexiblen Verbrauchs ist nicht so bedeutend. Der Betrieb weiterer Verbraucher wie Kühlschrank, Kochfeld oder Backofen ist nicht flexibel.
Über den Verfasser
Martin Hatka widmet sich langfristig der Smart Home Problematik und der effektiven Nutzung von Energie im Smart Home. Beruflich ist er als Senior Konsultant im Bereich Energiewirtschaft für das Unternehmen Unicorn tätig, wo er sich zur Zeit mit dem Thema Energieflexibilität befasst. Der Betrieb eines Smart Home und sein Flexibilitätspotenzial kann auch für größere Gebäude oder ganze Gelände mit bedeutendem Flexibilitätspotenzial angewandt werden, wobei die Flexibilität direkt oder zu größeren Komplexen aggregiert genutzt werden kann. Unicorn bietet im Bereich Flexibilität die Produktfamilie Flexigy an. Martin ist Teil des Teams, das Flexigy entwickelt.