Die Architektur der Gotik steht für einzigartige Kathedralen und Sakralbauten wie Notre Dame in Paris oder den Kölner Dom. Der Stil bestimmt sich durch die faszinierende Skelettbauweise, durch hohe Gewölbe, nach oben strebende Spitzbögen, Buntglasfenster und ein solides Maßwerk.
Ihre Blütezeit erlebte die Gotik im späten Mittelalter und löste die Romanik ab, um anstelle dunkler und kalter Gebäude mit dicken Wänden und kleinen Fenstern lichtdurchflutete Räume zu schaffen. Bis heute bieten die gotischen Kathedralen in ganz Europa einen überwältigenden Anblick, so dass nachvollziehbar bleibt, wie die Bauwerke auf die damalige Zeit gewirkt haben müssen. Dabei stellte die Gotik Baumeister vor eine große Herausforderung. Viele der Kathedralen benötigten Bauzeiten, die über mehrere Jahrhunderte reichten.
Die wichtigsten Merkmale der Architektur der Gotik
Die Gotik gehört sicherlich zu den einfachsten Baustilen, um sofort erkannt zu werden. Die Gestaltungselemente zeigen sich durch eine filigrane Bauweise mit durchbrochenen Außenwänden, fein strukturierten und hohen Spitzbogenfenstern, hohen Türmen und einer typischen Skelettbauweise mit Bündelpfeilern und Streben. Hier wurden Statik und Ästhetik wunderbar kombiniert. Während der romanische Grundriss aus einem einfachen Lang- und Querbau bestand, weisen Bauwerke der Frühgotik bereits ein mehrteiliges Gewölbe und Seitenschiffe auf, während das Maßwerk das Bauornament darstellte.
Einen Teil des Gerüsts bildeten gebündelte Säulen, die durch einen Spitzbogen verbunden wurden und so eine tragende Funktion für das gesamte Gewölbe hatten. Unterstützend dazu kamen Pfeiler mit Strebebögen, während große Fenster für die Leichtigkeit in die Konstruktion sorgten. Sie waren oftmals sehr kunstvoll gestaltet und sorgten dafür, dass die Bauwerke lichtdurchflutet waren. Die gotischen Fenster sind ein bestimmendes Element im Raum und nehmen dem Mauerwerk die Schwere. Oft erzählen sie die Geschichte der Heiligen und zeigen im oberen Bereich eine ästhetisch gestaltete Rosette oder eine sogenannte Krabbe, die die Form gefalteter Blätter besaß.
In den gotischen Kathedralen und Kirchen ist auch die enorme Deckenhöhe auffallend, die sich innen ebenso bemerkbar macht wie in der Außenansicht. Es ging darum, näher zu Gott zu streben, himmelstürmende Gebäude zu errichten, die sich so von den Gebäuden der Städte abhoben und zum Wahrzeichen wurden. Die Fassaden waren oftmals verziert und wiesen zwei riesige Türme auf, die bis zu 150 Meter hochschossen. Dazu wurden Fialen gebaut, schlanke und flankierte kleinere Türme, die die hochstrebende Bauweise betonten. Die Fassaden der Bauwerke waren verziert und wiesen Wasserspeier und lebensgroße Statuen auf. Die Wasserspeier dienten gleichzeitig als Ableitung für das Regenwasser.
Der Beginn der Gotik in Europa
Die Epoche der Gotik weist drei Phasen auf und teilt sich in die Früh-, Hoch- und Spätgotik. Sie entstand im Frankreich des 12. Jahrhunderts und breitete sich nach und nach in ganz Europa aus, um dann im 16. Jahrhundert von der Renaissance abgelöst zu werden. Die gotische Architektur ist eine der ersten, die sich nicht an der Antike orientierte, was damals noch sehr skeptisch aufgenommen wurde. Italienische Maler wie Giorgio Vasari nannten sie erbost eine „Barbarenkunst“, während das Wort „gotisch“ tatsächlich noch bis in die Zeiten der Renaissance abwertend gemeint war. Aus dem Italienischen übersetzt bedeutet „gotico“ so etwas wie „fremdartig“ und war gebräuchlich als Schimpfwort, bezogen auf den Germanenstamm der Goten, der als barbarisch galt.
Dabei stand die Gotik für Fortschritt in der Bauweise und Technik, benötigte zudem großes Wissen im Bereich der Physik und Mathematik. Sie ersetzte wunderbar die dicken und robusten Mauern, Säulen und Rundbögen der Romanik. Kennzeichnend für die Gotik war vor allem die freie Bauweise nach neuen Maßstäben mit hohen Kreuzrippengewölben, Spitzbögen und Zierelementen. Gebaut wurden nicht nur Kathedralen und Kirchen, sondern auch Rathäuser, Universitäten, Burgen und Schlösser, verschönert durch Buntglas und aufwendige Verzierungen. Hinzu kamen Bürgerhäuser und Stadttore.
Das erste Gebäude der Gotik war die Abteilkirche in Saint-Denis, nicht weit entfernt von Paris. Die Grundsteinlegung erfolgte 1130 und die Kirche war eine direkt dem König unterstellte Abtei. Stilbildend ist besonders die Westfassade, die als Vorbild für die berühmten Baumeister diente. Die erste Kathedrale der Gotik ist die Bischofskirche des Erzbistums Sens, die 1133 fertiggebaut wurde.
Wichtige Bauwerke der Epoche
Die Architektur der Gotik basierte auf dem französischen Vorbild, veränderte sich jedoch in den einzelnen europäischen Ländern. So prägte sich durch den Bau der Kathedrale von Canterbury 1175 der englische gotische Stil, während in Spanien maurische Elemente Einfluss auf die Bauweise nahmen. Italien als Vorreiter der Renaissance war ein Nachzügler und errichtete gotische Bauwerke erst ab dem 13. Jahrhundert, darunter die Basilika San Francesco in Assisi.
Etwas früher hielt die Gotik Einzug in Deutschland mit dem Bau des Magdeburger Doms im Jahr 1209 und der Liebfrauenkirche in Trier um 1235 herum. Die höchste Vollendung fand die deutsche Gotik im Ulmer Münster, der über einen Kirchturm verfügt, der eine Höhe von 161,53 Metern besitzt und bis heute zu den höchsten der Welt zählt. Noch bedeutender ist der Kölner Dom als wahres Meisterwerk der Gotik, der über mehrere Jahrhunderte errichtet wurde. Während die Grundsteinlegung 1248 erfolgte, fand die Einweihung erst 1880 statt.
In Paris steht Notre Dame für die kunstvolle Bauweise der Frühgotik im 12. Jahrhundert. Sie wurde 1163 begonnen und 1345 vollendet. Die beiden Natursteintürme sind 69 Meter hoch, das Kirchenschiff 130 Meter lang, um Platz für etwa 10.000 Menschen zu bieten. Faszinierend bleibt, dass die Kathedrale niemals abgestützt, befestigt oder restauriert werden musste, auch wenn der schwere Brand 2019 ein flammendes Inferno auslöste und die Welt erschütterte. Gerade Notre Dame steht für gotische Bauwerke von höchster Qualität, errichtet von hervorragenden Baumeistern und Kennern.
Weitere gotische Meisterwerke sind der Veitsdom in Prag, der Straßburger Münster, die Kathedralen in Chartres und Reims, St-Quen in Rouen, der Kathedrale in Florenz und die Domkirche St. Stephan in Wien. Das größte gotische Gebäude der Welt ist die Bischofskirche von Sevilla „Santa Maria de la Sede“.
Berühmte Baumeister der gotischen Architektur
Die Baumeister der Gotik wurden von den Menschen des Mittelalters nahezu gefürchtet. Sie glaubten, dass diese Universalgenies mit dem Teufel im Bunde waren. Es wirkte blasphemisch, dass diese über das gesamte Wissen ihrer Zeit verfügten und sich mit der Baukunst ebenso auskannten wie mit Physik, Chemie und Mathematik. Im Mittelalter gab es noch keine tieferen Kenntnisse über Statik oder gar detailgenaue Bauzeichnungen. Die Baumeister mussten im Alleingang Monumente errichten und wagten unglaubliche Konstruktionen, die sich in Statik und Belastbarkeit noch kaum berechnen ließen.
Einer der bekanntesten Baumeister war Meister Gerhard, der sich an die Errichtung des Kölner Doms wagte. Er wurde 1215 geboren und starb 1270. Während von seinem Privatleben eher weniger bekannt ist, bildet sein Wirken die eigentliche Biografie. Inspiriert von der französischen Gotik begann er eines der längsten Bauvorhaben und leitete es über zwei Jahrzehnte, bis er durch einen Arbeitsunfall auf der Dombaustelle ums Leben kam. Nach ihm setzten Meister Arnold und Johannes von Köln den Bau fort, gefolgt von weiteren bekannten Baumeistern.
Die Errichtung der Kathedrale von Canterbury wurde durch Wilhelm von Sens möglich. Als französischer Werkmeister brachte er die Gotik nach England und war hauptsächlich für den gotischen Chor des Bauwerks verantwortlich. Andere führten dann sein Werk fort, während sich die gotische Architektur verbreitete.
Auch die Familie Parler gehört zu den berühmten Baumeistern, die gleich mehrere gotische Kirchen errichteten, darunter den Prager Veitsdom oder den Ulmer Münster. Der Vater war Heinrich Parler, der aus Köln stammte und den Münster in Schwäbisch Gmünd erbaute. Peter Parler begann mit dem Bau der Nürnberger Frauenkirche und leitete dann den Weiterbau des St. Veit ab 1356. Sein Sohn Wenzel Parler war einer der Baumeister, die am Bau des Stephansdoms in Wien beteiligt waren.
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